Weitere Informationen zur Intervention im Schulleben
Diese Seite bietet vertiefende Informationen in Form von didaktischen Hilfestellungen sowie Hinweise auf weiterführende Literatur.
Allgemeine Hinweise zur Intervention
Einzelfälle gemäß der individuellen Situation beurteilen: Intervenieren Sie feinfühlig, aber konsequent! Das Einschreiten bei jeder Form von Antisemitismus erfordert klare Grenzen. Ein Generalkonzept existiert nicht. Aber die klare Botschaft muss immer lauten: Antisemitismus wird nicht akzeptiert!
Erheben Sie in einer Interventionssituation keine unbegründeten Anschuldigungen. Klären Sie immer auf, was exakt in einer Konfliktlinie antisemitisch war.
Raum für Einordnung der antisemitischen Äußerung geben: Nicht jede antisemitische Äußerung muss einer bewussten judenfeindlichen Einstellung entspringen. Schülerinnen und Schülern muss der Raum für eine Reflektion ihrer antisemitischen Äußerung gegeben werden, sodass sie die Möglichkeit erhalten, sich über die menschenfeindlichen Dimensionen ihrer antisemitischen Positionen bewusst werden zu können.
Wie nähere ich mich als Lehrkraft einer Schülerin/einem Schüler an, der eine antisemitische Äußerung getätigt hat?
Bei Unkenntnis der Dimensionen der eigenen antisemitischen Äußerungen ist zunächst eine sensible Annäherung an das Thema ratsam:
„Ich möchte das verstehen. Kannst Du mir das erklären?”
„Ich möchte die Situation nachvollziehen können. Warum hast Du das gerade gesagt? Warum hast Du ihn ‚Jude‘ genannt?”
- Neutrales Interesse bekunden, die verwendeten Worte und Inhalte der Schülerin/dem Schüler bewusst machen.
- Ernsthaftes und interessiertes Nachfragen.
- Nachfragen eröffnet Ihnen die Chance, das Gegenüber zum Nachdenken, zum Überdenken der eigenen Haltung und Handlung anzuregen.
„Warum ist Dir das wichtig?”
„Warum ist es Dir wichtig, ihn ‚Jude‘ zu nennen?”
„Was hoffst Du durch die Bemerkung zu erreichen?”
- Welchen Sinn bzw. Stellenwert haben die Äußerungen für die Schülerin/den Schüler, was sind die Kernaussagen?
- Welche Funktion hat die Äußerung für die sprechende Person? Denn: Wer etwas über „die Anderen” sagt, sagt auch immer etwas über sich selbst.
„Ich versuche, Dich zu verstehen, aber mir fällt schwer …“
„Ich kann leider nicht nachvollziehen, warum Du das Wort ‚Jude‘ verwendet hast. Kannst Du mir es erklären?”
„Vielleicht haben wir ein unterschiedliches Bild von Juden. Mich interessiert, was Du über Juden weißt. Wo hast Du mal was von Juden gehört?”
„Für mich ist es neu, ‚Jude‘ als Herabwürdigung zu verwenden. Warum ist der Begriff für Dich ein Schimpfwort?”
„Ich verstehe nicht, warum ein ganzes Volk/eine ganze Religionsgruppe für das Verhalten verantwortlich ist. Kannst Du mir das erklären?”
„Erklär mir bitte, warum Du der Meinung bist, alle Juden seien geizig, gierig oder reich sollen?”
- Greifen Sie die Komplexität und Schweregrad der geäußerten Inhalte auf und thematisieren Sie die darin enthaltenen menschenverachtenden und menschenfeindlichen Inhalte.
- Achtung: Sitzen Sie bitte nicht selbst Differenzkonstruktionen auf. Reagieren Sie nicht mit Argumenten wie z. B. „nicht alle Jüdinnen und Juden sind so”. Antisemitismus hat absolut keinen Realitätsbezug. Durch die „Abmilderung“ einer antisemitischen Aussage mit „nicht alle”, wird aber ein scheinbar „realer” Bezug hergestellt und so würde die Aussage der Schülerin/des Schülers indirekt bestätigt werden. Eine Aussage seitens der Lehrkraft wie z. B. „Nicht alle Juden sind reich” würde bestätigen, dass überhaupt eine Verbindung zwischen Reichtum und Jüdinnen und Juden existiert.
„Was würdest Du tun, wenn man so über Dich denken würde oder Deine Familie von so etwas betroffen wäre?“
„Wie kann sich Dein Gegenüber gefühlt haben, als Du ihn ‚Du Jude‘ genannt hast?“
„Wie findest Du es, wenn ‚Du Deutscher/Du Christ/Du Moslem‘ als Schimpfwort verwendet wird?”
„Wie würdest Du dich fühlen, wenn man Dich aufgrund Deiner religiösen oder kulturellen Zugehörigkeit beleidigt?”
„Wie fühlt es sich an, nicht als einzelner Mensch/als Individuum wahrgenommen zu werden, sondern als Vertreter einer ganzen Religion oder Volkszugehörigkeit?”
„Wie fühlt es sich für Dich an, Deine Religion oder Deine Kultur mit etwas Negativem zu verbinden?”
„Wie fühlt es sich an, aufgrund einer Eigenschaft abgewertet oder ausgeschlossen zu werden, die nichts über Deinen Charakter aussagt?”
„Wie würden sich anwesende Juden oder Israelis in dieser Situation fühlen?”
„Wie findest Du es, wenn man alle Deutschen als Nazis oder alle Muslime als Terroristen bezeichnen würde?”
- Versetzen Sie die Schülerin/den Schüler in die Situation eines von Hass und Abgrenzung betroffenen Adressaten.
- Suchen Sie nach Gemeinsamkeiten von Diskriminierungserfahrungen, ohne dabei gleichzusetzen.
- Achtung: Antizipieren Sie keine Religions- oder Volkszugehörigkeit der Schülerin/des Schülers, wenn diese in der Situation von der Schülerin/dem Schüler nicht eigenständig vorgebracht wurde. Nehmen Sie keinen defizitären Blick auf eine religiöse Zugehörigkeit ein, sondern spielen sie mit der Austauschbarkeit von Gruppen, die von Ressentiments betroffen sind.
Fragen Sie nach den grundsätzlichen Bedingungen für ein friedliches Zusammenleben in einer Gesellschaft:
„Wie soll ein friedliches Zusammenleben funktionieren, wenn Gruppen sich stets gegenseitig abqualifizieren und anfeinden?”
„Wie möchtest Du von Deinen Mitschülern und Mitschülerinnen behandelt werden?”
„Wie reagiere ich auf ein ‚Nein‘?”
„Wie gehe ich mit Enttäuschungen um?”
„Wie verhalte ich mich gegenüber Menschen anderen Glaubens?”
„Wie möchte ich als Minderheit behandelt werden?”
Möglichkeiten der Gegenargumentation und Phasen der Grenzziehung
Ein Dialog ist immer ein gegenseitiger Austausch; nachdem Sie die Schülerin/den Schüler angehört und versucht haben, ihre/seine Perspektive zu verstehen, fordern Sie die Anhörung Ihrer Perspektive ein:
„Ich versuche gerne, Deine Perspektive zu verstehen. Aber wenn Du das von mir forderst, kann ich von Dir verlangen, dass Du auch meine Perspektive zu verstehen versuchst.”
Klären Sie die Schülerin/den Schüler über die Voraussetzungen des friedlichen Zusammenlebens, das Diskriminierungsverbot und über die universellen Prinzipien der Humanität auf. Diese Prinzipien dienen als Grundlage dafür, dass alle Formen des Antisemitismus und jeder Ungleichwertigkeitsmechanismus zurückgewiesen wird, sowie Minderheiten vor Diskriminierung geschützt werden.
Achtung: Verzichten Sie bei der Aufarbeitung, Missbilligung bzw. Sanktionierung antisemitischer Äußerungen auf kontraproduktive Bezüge zur muslimischen Identität, sofern eine solche vorhanden sein sollte. Annahmen und Vorwürfe im Zusammenhang von religiös-kultureller Identität und antisemitischem Verhalten würden Ihr Interventionsverhalten konterkarieren und zu einer sich verweigernden Konfliktsituation führen. Des Weiteren könnten Sie mit dem Vorwurf konfrontiert werden, dass Sie auf kulturalisierende Weise Vorurteile schüren und so Ihr Gegenüber diskriminieren, wenn Sie verallgemeinernd z. B. auf antisemitische Positionen in der islamischen Welt verweisen. Auch Formulierungen wie „bei uns in Deutschland gilt…!” oder „Deutschland ist ein säkularer Staat, die Religion bleibt zu Hause” sind nicht zielführend.
Reagieren Sie auf fortdauernde antisemitische Äußerungen mit der Gesetz- und Erlasslage, bleiben Sie dabei unnachgiebig:
Artikel 3, Abs. 3 GG – Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. […]
Argumentieren Sie zuletzt mit der Rechtslage in Situationen, in denen antisemitische und menschenfeindliche Äußerungen Geltung beanspruchen und die angesprochene Person offen uneinsichtig bleibt. Hass ist keine Meinung! Maßnahmen Fall 1 und Fall 2
Diese Informationen wurden zur Verfügung gestellt von MIND prevention.